Vielen Dank an die 30 Menschen, die heute an einer ganz besonderen Klima- und Artenschutzaktion in Melle teilgenommen haben.
Danke an die Firma Werges GmbH, die Haarmann Stiftung Umwelt und Natur (Osnabrück), die EUROPA MÖBEL Umweltstiftung (Fahrenzhausen, Bayern) und das Unternehmen Patagonia (USA) für die tolle Unterstützung.
„Altes Meller Wissen gegen die Klimaerwärmung und für eine hohe Artenvielfalt“
Der Burgundertrüffel ist in Melle seit Jahrhunderten zu finden. Das kalkhaltige Wiehengebirge sorgt dafür, dass die Meller Stadtteile Oldendorf und Buer seit Generationen intensive Trüffelfundorte sind. Jährlich wachsen hier Trüffeln im geschätzten siebenstelligen Gesamtwert (Euro) heran, das Bundesnaturschutzgesetz untersagt jedoch strengstens diese zu sammeln.
Auf einer alten Karte von 1763 (Melle-Buer) ist die Bedeutung von Trüffeln gut zu erkennen. Ein gesamtes Gebiet ist hier als „Trüffel-Bruch“ deklariert.
Siehe Bild (untere Karte) (Quelle: https://www.arcinsys.niedersachsen.de/arcinsys/digitalisatViewer.action?detailid=v4128356&selectId=13062620)
Aus der Heimatliteratur ist bekannt: „1727 suchte der Italiener Fenoglio in den Osnabrücker Kalkbergen nach Trüffeln. Von dieser Zeit an sollte dieses Gewerbe eine Merkwürdigkeit des Osnabrücker Landes bleiben.“ (Quelle: „Heimatkundliche Skizzen aus dem Solling“, 1988 herausgegeben vom Sollingverein Dassel e.V., geschrieben von Detlef Creydt)
Durch den Nationalsozialismus wurde das damals weit verbreitete Wissen rund um den Trüffelanbau nahezu völlig zerstört. Deutschland war einstmals eine Trüffelexport-Nation.
Im Zuge des Artensterbens und der Klimaerwärmung erhält das Wissen um den Trüffelanbau nun ein Comeback. Unter Anleitung von Tassilo Pöter (http://teutotrueffel.de) konnte heute gemeinschaftlich eine 1000 m²-Fläche bearbeitet werden. Mit Trüffelsporen geimpfte Bäume wurden gemeinschaftlich verpflanzt (z.B. Stieleichen, Traubeneichen, Rotbuchen, Hainbuchen) und der Boden der Fläche mit Kalkschotter angereichert. Die Fläche (Gelbe Riede/Lerchenweg) befindet sich in etwa 2000 Meter Luftlinie vom trüffelreichen Wiehengebirge entfernt. Die Veranstaltung wurde von Melle for Future und der gUG Umweltschutz und Lebenshilfe gestaltet.
Um den Boden vor Austrockung und Windeinflüssen zu schützen, wurde zudem noch eine Vogelschutzhecke angelegt (basierend auf Weissdorn, Schlehe, Roter Holunder, Schwarzer Holunder, Haselnuss, Kornelkirsche).
Wenn alles so funktioniert wie geplant wachsen nach etwa 7 Jahren erste Trüffeln.
Eine Trüffelfläche sorgt für folgenden Nutzen:
- Durch die Symbiose des Trüffelpilzes mit den Baumwurzeln werden Bäume mit Nährstoffen und zusätzlichem Wasser versorgt. Das sorgt für eine starke Klimaresilienz von Bäumen. Der Trüffelpilz wiederum erhält von den Bäumen Zucker und Kohlenhydrate.
- Trüffelflächen weisen eine sehr hohe Artenvielfalt auf. Das Mycel des Trüffelpilzes entnimmt dem Boden viele Nährstoffe, was dazu führt, dass sich etliche bedrohte Magerarten durchsetzen können. Nicht selten findet man dort auch verschiedene Orchideen vor. Bekannt sind die sog. „Brulé-Kreise“ rund um Trüffelbäume. Die Erde sieht dort aus „wie verbrannt“ (Siehe Bild, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Perigord-Tr%C3%BCffel#/media/Datei:Beaumont_-_truffi%C3%A8res.jpg).
- Das Mycel der Trüffelpilze sorgt für eine sehr starke CO2-Bindung. Dazu kommt noch die CO2-Einlagerung in die Biomasse der Bäume.
- Pro Hektar Trüffelfläche können Erträge zwischen 30.000 und 50.000 Euro erzielt werden (allerdings bedeutet es auch, dass 7 Jahre lang keinerlei Einnahmen erzielt werden).
- Von der sehr breiten (mehrere Meter breit) Vogelschutzhecke profitieren auch Kleinsäuger wie z.B. Igel. Auch das stark bedrohte Rebhuhn zieht sich gerne in Heckenbereiche zurück. Die vielen Beerenfrüchte sorgen zudem für Nahrung tief in den Winter hinein. Das Wurzelgefüge der Hecke sorgtausserdem für hohe CO2-Einlagerungen.
Im Zuge des Klimawandels steigt das Interesse am Trüffelanbau aktuell rapide an (Quelle: Verband für Trüffelanbau und Nutzung in Deutschland e.V). Bislang gibt es in Deutschland etwa 700 Trüffelanbauer (Quelle: https://www.noz.de/deutschland-welt/niedersachsen/artikel/sievers-suedniedersachsen-soll-trueffelland-werden-45966491). Derzeit ist davon auszugehen, dass die Trüffel-Anbauregionen in Italien, Spanien und Frankreich durch die globale Erderwärmung bedroht sind und perspektivisch mutmaßlich zusammenbrechen werden. Nördlich davon jedoch – und somit auch in Deutschland – entstehen neue große Anbaumärkte. Dieses ist umso interessanter, als Deutschland vor dem Nationalsozialismus eine Trüffel-Export-Nation war. Aktuell jedoch werden in Deutschland etwa 60 Tonnen Trüffeln pro Jahr importiert (und nur 1 Tonne selbst produziert).
Melle und der Landkreis Osnabrück sind durch das kalkreiche Gestein im Wiehengebirge sowie im Teutoburger Wald ein Hotspot für den Burgundtrüffel. Es ist von Trüffeln im Wert von mehreren Millionen Euro auszugehen, die jährlich in der Region im Boden heranwachsen. Ein Kilogramm dieses Trüffels kann Preise bis zu 1300 Euro erzielen.
Mykorrhiza-Pilze speichern jährlich bis zu 13 Gigatonnen Kohlenstoff – und damit mehr als ein Drittel (36 Prozent) jener Menge, die jedes Jahr weltweit bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe ausgestoßen wird. (Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimaschutz-wie-pilze-enorme-mengen-kohlenstoff-speichern-a-21b69a4a-fa61-4116-b21d-76bb8e86873e
Bei der heutigen Aktion fand zudem noch eine kleine nachhaltige Weihnachtsfeier statt. Es gab Glühwein, Glühpunsch, Kaffee, Tee und einen leckeren BIO-Erbseneintopf (Danke an das Hotel/Restaurant Hubertus/Wiesehahn). Natürlich wurde auch Baguette mit Trüffel-Margarine angeboten.
Zahlreiche Geschenke wurden verteilt (z.B. auch Wein aus Bad Iburg, Nistkästen für Vögel, Eichhörnchen und Fledermäuse sowie nachhaltiges Spielzeug (auch viele Kinder waren heute dabei).
Eine Teilnehmerin formulierte es sehr treffend: „Es ist herrlich in der Kälte und an der frischen Luft zwei Stunden etwas für die Natur zu tun und dann einen heißen Eintopf genießen zu können“.
Anbei noch einige Zitate:
Tassilo Pöter: „Der Trüffelanbau leistet nicht nur einen Beitrag zum Klima- und Artenschutz, sondern verwebt diese Bemühungen auch mit dem sinnlichen Genuss von Trüffeln und dem spannenden Erlebnis der Suche nach ihnen, vergleichbar mit einer Schatzsuche. Häufig werden zuvor intensiv genutzte Flächen in ein Naturparadies umgewandelt, das nicht nur ein ideales Umfeld für das Gedeihen geschützter Trüffeln bietet, sondern auch als sicherer Rückzugsort für viele bedrohte Tiere und Pflanzen fungiert. Um eine erfolgreiche Trüffelkultivierung zu gewährleisten, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Fläche so extensiv wie möglich bewirtschaftet wird.“
Katja Rasmus: „Um Natur und Klima zu stabilisieren, müssen wir vieles zusammendenken: technologische Entwicklungen vorantreiben und altes Wissen wieder ausgraben, Lebensräume für Tiere und Pflanzen schaffen und natürliche CO2-Speicher (z.B. Pilze!) stärken. Für vielfältige Lösungen zu begeistern, war auch das Ziel des Meller Klimafestes am 6. Mai. Emissionen infolge dieser Veranstaltung kompensiert Melle for Future in diesem visionären Projekt.“
Gabriele Mörximann: „Der Grund und Boden auf unserem Planeten ist begrenzt. Der Trüffelanbau ist für mich ein Beispiel für das Prinzip „Schützen durch nützen!“, wo nachhaltige Nutzung und Naturschutz Hand in Hand gehen können.“
Kai Behncke: „Der Trüffelanbau ermöglicht es, etwas für den Klima- und Artenschutz zu leisten und gleichzeitig sehr viel Geld damit zu verdienen. Der Trüffelpilz versorgt die Baumwurzeln zudem zusätzlich mit Nährstoffen und Wasser und macht die Bäume damit etwas resistenter gegen die Folgen der Klimakrise.“